die schwere Krankheit

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Sokrates hatte sich auf der rechten Vorderpfote eine Wunde geleckt. Aus dieser Wunde begann ab Ende 2011 ein Geschwür zu wachsen, am Anfang sehr langsam, aber dann sehr schnell. Er konnte schließlich schlecht auftreten, die Pfote tat weh. Unsere letzte Reise zum Bernina Ende August 2012 war für ihn schon sehr beschwerlich. Er ging langsam und nicht sehr weit. Zu Hause angekommen, gingen wir zum Tierarzt. Er verband die Pfote und trug Salbe auf. Nach einer Woche, als der Verband gelöst wurde, erschraken alle: Die Wunde war aufgeplatzt und schwarz.... Diagnose: Krebs

Noch am selben Tag telefonierte Dr. Oelfken mit einer Kleintierklinik in Ravensburg. Er selbst konnte nichts mehr tun. Am Dienstag, den 11. September, um 11 Uhr 30 hatten wir den Termin. Nach einer Computertomografie stand fest: Es ist Krebs. Es muss sofort gehandelt werden. Aber Einschläfern brauche man den Hund nicht, er wäre sehr gut in Form mit Kraft und guter Muskulatur und könne gerne noch 1 bis 2 Jahre leben. Aber eine Amputation wäre unvermeidlich. Eine Viertelstunde später lag Sokrates bereits in Narkose und wurde operiert.

Ich konnte nur noch allein zurückfahren und sollte ihn am nächsten Morgen gegen 10 Uhr abholen.

Am nächsten Morgen erklärte Dr. Milhaljevic, dass alles ohne Komplikationen verlaufen wäre, der Hund lief! Und tatsächlich brachte eine Schwester den Hund an der Leine- allein laufend, also: mehr hoppelnd – aus den Behandlungsräumen. Es war unglaublich. Er war gleich sehr erschöpft, aber bis zum Auto kamen wir zu zweit. Dann schlief er, auch zu Hause schlief er weiter im Auto, ruhte sich von den Strapazen aus.

Gegen 16 Uhr trug ich ihn mit Hilfe von Frau Göbel in der Decke ins Zimmer, dort schlief er weiter. Als er erwachte, versuchte er aufzustehen, was natürlich nicht sofort gelang. Er war irritiert, dass ihm ein Bein fehlte. Aber nach einer Zeit stand er und hoppelte kurze Wege im Zimmer umher – bis zu seinem Futternapf und zurück. Aber auch das Hinlegen war kompliziert und musste neu gelernt werden.

Nur Kurven laufen, das klappte nicht, es ging nur in einer Richtung und endete in einer Ecke oder vor einem Gegenstand. Ich musste ihm die ersten Tage behilflich sein. Auch Nachts schlief ich – angezogen – in seinem Zimmer und wachte über jede Bewegung. Mehrmals musste er Nachts in den Garten. Jedes mal ging ich mit, damit ihm nichts passieren konnte. Aber nach und nach erlernte er neue Techniken und konnte jede Kurve nehmen, auch rückwärts gehen und schnell hoppeln.

Drei mal täglich fuhr ich mit ihm in die Natur oder in den Park, um das Geschäft zu machen und um wenige Meter zu hoppeln. Es wurden hin und zurück ca. 200 m, die Sokrates mit 12 ½ Jahren hoppeln konnte. Aber er war dann außer Atem.

Durch die Behinderung wurde unsere Beziehung noch viel enger. Er war abhängig und bedurfte meiner besonderen Fürsorge. Einmal war es Mitleid mit seiner Situation, dann aber auch der Stolz, wie er mit dieser Situation fertig wurde, neue Gefühle, die mich erfassten und tief bewegten.

Er war sehr tapfer. Er wollte leben und strengte sich an, mit den 3 Pfoten so gut wie möglich zurecht zu kommen. Er war genau so liebenswürdig, so freudig, wie vor der Operation, er fraß gerne und er ging gerne aus. Als dann der Schnee kam, kugelte er sich mit den 3 Pfoten genau so wie früher mit 4. Das ging 3 Monate so und wurde zur lieben Gewohnheit. Unbeschreiblich das Glücksgefühl, dass es meinen Hund noch gab, dass er lebte und sich wohl fühlte...

Aber bei den täglichen Streicheleinheiten entdeckte ich immer mehr kleine und dann auch etwas größere Geschwüre. Der Krebs war nicht besiegt, er ergriff den ganzen Körper – entgegen der Prognose des Klinikarztes. Gut, wenn sie klein blieben, könnte man damit noch Wochen oder Monate leben. Aber sie blieben eben nicht klein, besonders im Inneren des Hinterteiles wuchs ein großes Geschwür, faustgroß. Am Sonntag, den 02. Dezember 12, schlief Sokrates den ganzen Tag, oder er dämmerte vor sich hin. Er war anders als sonst, müde, von Schmerzen gequält. Am Montag holte ich Antibiotika und Schmerztabletten. Das half ein wenig. Er ging wieder freudig aus, fraß gut und begrüßte alle Bekannten mit endlosem Winseln. Bis zu seinem 12 ½ Geburtstag am 06.12.12. Da wollte er wieder nicht aufstehen, krümmte sich einmal vor Schmerz. Erst nach 4 Stunden Schlaf fraß er Nachts gegen 22 Uhr seinen Futternapf leer.

Aber der nächste Tag war dann ganz schlimm: Er konnte nicht stehen! Das linke Hinterbein machte nicht mehr mit, es zitterte nur noch. Er legte sich sofort wieder hin, wollte nicht pullern, sondern lag und lag...

Da rief ich Dr. Oelfken an und bat ihn zu kommen, man müsse Sokrates wohl einschläfern. Der Hund ahnte das wohl, nein - er wusste es! Er war anders als sonst, schaute mich pausenlos an, kuschelte, als wolle er sich verabschieden. Als der Arzt kam und ihn abfühlte, war das Urteil klar. Sofort einschläfern, der Hund leidet unendliche Qualen, besonders wenn man noch zuwarten würde.

In Ahnung dieser Geschehnisse habe ich meinen treuen Hund nochmals fotografiert und auch gefilmt. Er war ganz ruhig und gefasst, verfolgte alles mit großen schwarzen Augen. Den ganzen Vormittag lag er im Flur. Als ich dann sagte: „ komm Bettchen gehen“, da stand er auf, ging in sein Zimmer und legte sich auf die neue blaue Decke. Anders als an den Vortagen, da schaute er immer weg, unter Sofa und Sessel, schaute er mich an. Ich holte die Videokamera und filmte seine letzten Lebensminuten. Ich beugte mich zu ihm, streichelte ihn und drückte ihn, und er liebkoste meine Hand...Es war unser Abschied, das wussten wir beide....

Als es 20 Minuten nach 12 Uhr klingelte, horchte er auf, rührte sich aber nicht, sonst sprang er immer sofort auf 3 Pfoten zur Tür. Erst als er die Stimme des Arztes hörte, sprang er auf und rannte zu ihm. Er begrüßte ihn ganz freundlich, als wolle er sagen, gut dass du kommst, ich weiß was gleich passiert, Du erlöst mich von meinem Schmerzen.....

Er legte sich neben die Knie des Arztes, war ganz ruhig, schmuste mit ihm sogar. Die Assistentin scherte am Vorderbein das Fell ab und setzte eine Nadel. Dann gab der Arzt ihm ein Schlafmittel. Sokrates legte seinen Kopf in den Schoß des Tierarztes, war ganz ruhig, nach einer Minute schlief er. Dann kam die 2 Spritze... Sokrates war in wenigen Momenten tot, ohne Schmerz, er lag friedlich da, so, als ob er schliefe. Aber er war tot.

Der Tierarzt hatte ebenfalls ein mulmiges Gefühl, er mochte Sokrates sehr. Als alle gegangen waren, nahm ich allein – schweren Herzens – von meinem geliebten Hund Abschied.. Der Schmerz und die Trauen waren und sind unendlich groß.

Durch die Hilfe der Tierärzte wurden uns beiden noch 86 Tage geschenkt, kostbare Tage voller Liebe und Fürsorge, voller Mitleid und voller Stolz, aber auch voller Angst. In dieser Zeit konnten wir langsam voneinander Abschied nehmen, loslassen, gehen lassen.


Es waren die innigsten 86 Tage , die ich mit meinem Hund erlebte.



Sokrates war ein außergewöhnlicher Hund, ein Geschenk Gottes für mich bestimmt. Er hatte den Willen, mit dem Unglück von 3 Pfoten zurecht zu kommen, er kämpfe, aber der Krebs setzte plötzlich Funktionen außer Kraft, der Hund konnte nicht mehr weiter. Hier war sein Ende...

Nach einer Stunde kam ein Herr vom Unternehmen für Feuerbestattung und nahm Sokrates mit. Seine Urne hole ich in ein paar Tagen ab, Im Frühjahr hebe ich im Garten ein Loch aus, setze die Urne hinein und pflanze dort einen schönen Baum, einen roten Schlitzahorn...zur ewigen Erinnerung an Sokrates.

Einen solch treuen und liebenswürdigen Hund nach 11 ½ Jahren zu verlieren, ist schier unerträglich. Das erste Jahr seines Lebens war er bei der Familie F. in Hörbranz.

Dies gehörte zum Schicksal, das für Sokrates und mich bestimmt war – von Gott.




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